40 Jahre NWKV - Monika Krämer
Interview mit Monika Krämer (6. Dan)
Das Interview führte Liam Lesch
I: Seit wie vielen Jahren machst Du Kendo und in welchem Verein?
M: Ins Kendo-Dojo-Köln bin ich 1987 eingetreten, aber ich habebereits1986 mit Kendo an der
Universität Bonn angefangen. Nicht als Studentin, ich war schon berufstätig. Alfred Hennemann
leitete das Training in Bonn und als er merkte, dass mich Kendo wirklich gepackt hatte, nahm er mich immer mit ins Kendo-Dojo Köln, dem er auch lange vorstand.
I: Wie groß war die Kendo-Community in den ersten Jahren, als Du angefangen hast? Wo hat man sich getroffen?
M: Die Kendo Gemeinschaft war relativ klein. Jedenfalls kannten sich in NRW alle Rüstungsträger untereinander, weil wir oft miteinander trainierten. Leider sind aus der Zeit nicht viele übriggeblieben, aber aus den Folgegenerationen noch weniger. Ich traf zum ersten Mal in meinem Leben auf eine Ansammlung extrem unterschiedlicher Charaktere, die aber durch Kendo zu einer Gemeinschaft verbunden waren.Wichtiger als heute war damals das Treffen nach dem Training bei Bier und „Zwerchfell-Kakarigeiko“. Wir haben unendlich viel gelacht. Eine zentrale Persönlichkeit im KDK war Willi Istas, der leider schon mit Mitte Vierzig verstorben ist. Er war ein Künstler und Lebenskünstler und die Inkarnation rheinischer Gastfreundschaft. Wir trafen uns nicht nur für Partys und Vereinssitzungen in seiner Wohnung in der ehemaligen Wachsfabrik in Köln, sondern hier fanden auch Kendo-Gäste aus aller Herren Länder stets eine Übernachtungsmöglichkeit nach einem Turnier oder Lehrgang. Auch Bundestrainer wohnten bei ihm. Einmal gastierte bei ihm auch eine Abordnung von Menschen aus Kochi,darunter Nishino-Sensei, den ich später auch in Japan besucht habe und den ich als meinen geistigen Kendo-Lehrer bezeichnen würde.
I: Hattest Du ein Vorbild oder jemanden, dem Du viel zu verdanken hast? Was war ein Kendo-
Moment, an den Du Dich besonders gern erinnerst, bzw. der sich nachhaltig beeindruckt hat?
M: Im Kendound auch durch Kendo habe ich viele besondere Menschen kennengelernt und auch viele Erfahrungen gemacht. Auch einige außergewöhnliche.
Nishino-Sensei, zum Beispiel,hat mir jenseits der Sprache viel über die Essenz von Kendo vermittelt.
Was es bedeutet, ein guter Lehrer zu sein. Was Kommunikation im Kendo bedeutet. Als ich Gast in seinem Dojo in Kochi war, wurde ich mit aller Höflichkeit und Ehrerbietung behandelt, für mich eine ganz neue Erfahrung, war ich doch nur ein ganz kleines Kendo-Licht mit meinem 1. Dan.
Beim Jigeiko allerdings bemühten sich alle Männer mit 4. Und 5. Dan, mir so richtig die Knochen zu polieren. Ich war fix und fertig und gar nicht böse, dass ich kein Jigeiko mit Nishino Sensei gemacht hatte. Als er das bemerkte musste ich nochmal ran. Alle saßen schon zum Abgrüßen in der Reihe. Ich biss die Zähne zusammen in Erwartung vorgeführt und niedergemacht zu werden. Aber es kam anders. Es war eher so, als würde Nishino-Sensei mir seine Energie zur Verfügung stellen, damit ich ihn bestmöglich angreifen konnte. Es war unglaublich.Völlig ohne Anstrengung. Und ich spürte weder die Hitze noch meine kaputten Knochen.Er hatte mir die nachhaltige Lektion erteilt, dass ein Lehrer nicht dazu dasein sollte, den Schülern überheblich und destruktiv sein Können zudemonstrieren, sondern sie konstruktiv zu unterstützen.
Sehr wichtig war für mich auch die Begegnung mit Sekiyama-Sensei. Er war der erste und einer der wenigen japanischen Bundestrainer, der Kendo-Frauen überhaupt wahrnahm und vollwertig in das Training mit einbezog.
Frauen waren im Kendo über viele Jahre unterrepräsentiert, so auch in Köln und Bonn.
Das machte das Lernen natürlich schwierig. Alle Vorbilder waren Männer, alle Trainer und Bundestrainer ebenfalls. Am Anfang, nachdem man die Grundzüge von Kendo verinnerlicht hat, fängt man ja an, Bewegungen anderer zu kopieren und zu beobachten, welche Bewegungen bei anderen erfolgreich sind. Da fehlten mir durchaus weibliche Vorbilder. Mein Kendo war daher–wie bei allen Frauen damals–sehr männlich.
Glücklicherweise gibt es jetzt mehr Frauen, die Kendo betreiben und auch viele, vom Stil her sehr unterschiedliche weibliche Kendoka mit 6. Dan, die Frau als Vorbilder zur Verfügung stehen.
Von Haga-Sensei habe ich auf der WM in Paris viel über Ki gelernt. Ebenso bei einem Lehrgang in Budapest von Okamura-Sensei, der mit mir eine Ki-Übung demonstriert hat, ein kleiner Mann, der auf mich zugeht und ohne mich mit dem Schwert oder Körper zu berühren so stark „trifft“, dass ich zurücktaumele. Das hat mich nachhaltig beeindruckt und wurde zu meinem „Kendo-Thema“, an und mit dem ich heute noch arbeite.Es hat mich dazu gebracht, mich mit dem Atemzu beschäftigen, auch außerhalb von Kendo.
Ich denke, dass es wichtig ist, alle Lebensthemen im Kendo mitzubearbeiten, dann hat Kendo auch einen Effekt auf das alltägliche Leben, die eigene innere Haltung und die Art und Weise mit Menschen umzugehen.Hierzu ist es von Vorteil, wenn man noch andere Leidenschaften außer Kendo hat.
Unser ehemaliger DKenB-Präsidenten Wolfgang Demski hat mich gelehrt, dass es möglich ist
herauszufinden, wie man mit körperlichen Beeinträchtigungen weiter Kendo treiben kann.
Ich hatte ihn einmal gebeten, ein Seminar zu diesem Thema zu halten. Aber auch sein Einsatz für die Kendo-Gemeinschaft und seine Kendo-Gastfreundschaft hat mich sehr beeindruckt.
I: Was möchtest Du (jungen) Kendoka mit auf den Weg geben?
M: Zunächst einmal bedanke ich mich für das Interview. Es hat mich besonders gefreut, dass diese Idee, ältere Kendoka zu befragen, von jungen Menschen ausgegangen ist.
Ich denke, dass jeder, der Kendo nicht nur als Sport betreibt, was ja durchaus auch möglich, aber zeitlich und/oder in der Tiefe begrenzt bleibt, sichüber den Umgang mit dem Schwert auf den Weg zu sich selbstbegibt. Es ist wichtig, diesen anstrengenden Weg trotz aller, oft sehr langer Durststrecken weiter zu verfolgen. Man darf keine Pause machen, sonst wird die Bequemlichkeit zu groß. Solange das Dojo nicht in einem ist, muss man „seinen Hintern dorthin bewegen“.
„Move body to dojo!“, so hat es Shiija-Sensei einmal ausgedrückt.
Im Wettkampf sehr erfolgreiche Kendoka laufen Gefahr, sich nach ihrer Wettkampfzeit nicht
weiterzuentwickeln. Man sollte sich im Klaren darüber sein, dass Wettkampf eine Phase im Kendo ist, aber nicht alleiniger Sinn und Zweck.In jeder neuen Phase des Schwert-Weges muss man, natürlich auf einem höheren Niveau, wieder von vorne anfangen, weil die Perspektive sich geändert hat. Das ist sehr schwer. Aber auch im normalen Leben muss man sich im Laufe der Zeit von Dingen und sogar Fähigkeiten verabschieden.
I: Hast Du ein Kendo-Motto oder Leitsatz?
M: Wenn du deinen Gegner besiegen willst, musst du eins mit ihm werden.